Würden wir den Passanten in unserer Stadt die Frage stellen, was die populärsten Sportarten in Kecskemét wären, sprächen nur wenige über Boxen. Diese, der Antike nachempfundene schöne Kampfkunst, zählte noch bis vor kurzem sowohl in Ungarn als auch in Kecskemét zu den populärsten Disziplinen. Bei den olympischen Spielen und auch den anderen internationalen Meisterschaften waren die ungarischen Faustkämpfer als „Medaillensammler“ apostrophiert. Heute ist das total anders! Das Amateurboxen erfreut sich nur bescheidener Popularität, obwohl begeisterte, selbstlose Leute noch immer der Auferstehung dieser Sportart vertrauen. Wer sich doch noch für die „klassische Keile“ interessiert, weiß genau, welch reges Boxerleben damals in Kecskemét existierte. Und das ist eben gar nicht so lange her!
Niederschriften zufolge begannen die Engländer Ende des 19. Jh. diese Sportart bekannt zu machen. Noch im gleichen Zeitraum stellte man diese Sportart in zahlreichen, europäischen Ländern vor.
In Kecskemét sind aus den 1920-er Jahren Boxstaffeln der Klubs KSC und KTE bekannt, die regelmäßig an verschiedenen Wettkämpfen teilnahmen.
Der richtige Aufschwung geschah in den 1970-er Jahren, als die Kecskeméter Fabrik der landesweit tätigen „Fémmunkás-Metallwerke“ die Sportvereine zu fördern begann.
Großartige Boxer verhalfen dieser neuen Sportart landesweit zu Ruhm, in dem der Männerkampf immer spektakulärer wurde und begeisterte Anhänger fand.
Diese Periode wird in der ungarischen Sportgeschichte die Zeit der Mannschaftsmeisterschaften genannt. Unter den Klubs galt es als wahre Anerkennung, den Titel der besten Mannschaft errungen zu haben. In die Kecskeméter Mannschaft wollten in jeder Gewichtsklasse gleich mehrere Sportler aufgenommen werden, da man sich hier im Vorzimmer individueller Erfolge wusste. Wollte man einen guten Trainer oder Sportmanager hinter sich wissen, musste man hier seine Professionalität beweisen.
Bis jetzt erinnert man sich noch an die serienhaften, sagenhaften Boxerfolge der Mitarbeiter der „Fémmunkás-Metallwerke. Ihre Namen, wie die Orbán-Brüder, József Asztalos – später war er beim Klub als Trainer tätig – Sándor Vígh, János Vígh, Tibor Pászti, Péter Kertli, Sándor Görög und Ferenc Kovács klingen auch heutzutage in der Stadt vertraut.
Egal an welchen dieser Boxwettkämpfe aus jener Zeit man sich erinnert, wenn diese Sportler im Ring kämpften, war die Halle brechend voll. Es kam sogar vor, dass sich fast so viele Fans vor dem Eingang die Beine in den Bauch standen, wie drin am Ring. Häufig gab es dann auch freiwillige Sachkundige, die mit nicht offiziellen Berichten die draußen stehende Hörerschaft informierten.
Ja, es kann behauptet werden, dass die Sportwelt durch das Boxen blitzschnell erobert wurde. Aber nach einem 10 Jahre lang anhaltenden Glanz schien der Siegeszug zu stoppen, die Begeisterung begann, sich im Sande zu verlaufen.
Sportliebhaber und Journalisten können immer noch zahlreiche Ursachen nennen, aber eine richtige und akzeptable Erklärung hat niemand gefunden, die das Schicksal des Boxens hätte eindeutig erklären können.
Als hätte das Schicksal das Flehen der Fans erhört, begann dann doch noch die Sonne am wolkenverhangenen Himmel zu scheinen: Károly Balsay, ein begabter Trainer kam vom Budapester Sportverein Honvéd nach Kecskemét. Das war ein Volltreffer auch in dem Sinne, dass er und der damalige Klubvorstand, Tivadar Benda, eine gute, kollegiale Beziehung hatten. Damals entstand auch der neue Trainingssaal. Das war eine weitere gute Voraussetzung dafür, dass es wieder gute Nachrichten über das Boxen geben konnte.
Die Auswirkungen der Moskauer Olympischen Spiele 1980 waren überall spürbar. Und obwohl die Teilnehmeranzahl — wie bekannt — gar nicht vollzählig war, brannte unsere Stadt trotzdem im Fieber dieses Ereignisses. Als erster Olympionike der Geschichte des Sportklubs bereitete sich Róbert Gönczi auf die Spiele vor. Die Vorbereitungen gipfelten darin, dass sich auf den „Honvéd-Pokal“ die ganze Nationalauswahlmannschaft von Kuba nominierte, mit Teofilio Steevinson, der lebendigen Legende des Amateurboxens an der Spitze.
Mit diesen Ereignissen brachten die 1980-er Jahre im Leben des Boxsportes im Kecskeméter Sportklub einen neuen Aufschwung. Es erschienen Spitzensportler im Ring, wie z. B. István Konkoly, György Kis, György Kincses, Ábel Csikós und János Kozák. Ihre Ergebnisse und ihr Können im Boxkampf bedeuteten eine große Anziehungskraft sowohl für den Trainingssaal als auch die Sporthalle. Die Mannschaftsmeisterschaften wurden so populär wie nie zuvor. Die Sportler wurden nicht nur von den Familienmitgliedern, sondern auch von den Fans von Ort zu Ort begleitet. Der alte Ikarus Bus der „Fémmunkás-Metallwerke“, liebevoll „Silberner Pfeil“ genannt (ung: „Ezüstnyíl“) verschmolz langsam mit der Mannschaft. Ehrenhaft, aber auch witzig, klingt der einstige Spruch auf dem metallfarbenen Fahrzeug: „Schade, das es nicht so schnell ist, wie die rechte Hand des Boxers Ábel, es hat aber einen Vorteil: es kommt immer dort an, wo es gebraucht wird…“
Als es so aussah, als wäre alles in Ordnung, bekam der Zusammenhalt in der Mannschaft wieder Risse. Der Meister großartiger Siege wechselte seinen Standort auf die andere Seite der Donau. Einige Sportler zogen die Boxhandschuhe aus, einige gingen nur trainieren, wollten aber nicht mehr an Wettkämpfen teilnehmen. Sogar der alte Bus wurde endgültig aus dem Verkehr gezogen. Wieder blieben nur Nostalgie und die Hoffnung….
Das Amateurboxen konnte nicht mit der schillernden und glitzernden Welt verschiedener professioneller Organisationen, die einen schnellen Erfolg und viel Geld versprachen, wetteifern. In Ungarn und auch in Kecskemét blieb das mittelmäßige Boxen, bei dem sich Faustkämpfer mit dürftigen Fähigkeiten an Wettkämpfen mit bescheidenen Geldmitteln bemühten zu beweisen, dass hier trotzdem ein Profi-Boxen existiere.
In dieser recht interessanten Zeit konnten aber wunderbare Sportler ihr Können unter Beweis stellen: Mihály Kótai, István Kovács, Zsolt Erdei oder eben Károly Balzsai jun. bewiesen eindeutig, dass mit Arbeit, Verzicht und Begeisterung für den Sport — und nur so — Siege erreicht werden können. Diese Sportler übten durch ihre außerordentlichen Fähigkeiten, mit ihrer menschlichen Haltung und ihren Ergebnissen positiv auf die Amateurwelt.
Die Kinder, die zum ersten Mal Boxhandschuhe anzogen, betrachteten sie als Vorbilder. Sie hofften darauf, einmal ähnliche Ergebnisse zu erreichen und sich so, mit dem Sport, auch eine Existenz schaffen zu können.
Die Trainingsstunden wurden in unserem Klub von den Kindern wirklich aktiver besucht, wozu auch die Tatsache beitrug, dass die Stadt die Sportschule gründete und damit den Faustkampf förderte.
László Kassai – Lajos Káposzta – Eva-Marie Meissner