Gott hat noch Pläne mit mir… (2)

Zwölf Gemeindeglieder und der Pfarrer

Das 1. Kapitel lesen Sie hier

Wir sind in einem ehemals sächsischen Dorf

in Siebenbürgen. Rothberg – Szászveresmart – Rosia zählt zu einer Besonderheit in der stark geschrumpften Diözese der deutschen evangelischen Kirche zu Siebenbürgen. Hier lebt und dient seit 45 Jahren Pfarrer Eginald Schlattner. Dieses Jahr (2023) ist ein wichtiges Datum: er verbringt gerade die Hälfte seines Lebens hier, in seiner ersten Dienststelle! Es ist wirklich ein aufopferungsvoller Dienst, der in der leergewordenen Kirchengemeinde seltsam und mysteriös scheint. Oder nennen wir das lieber segenreich?

Die Zahl trägt eine fast symbolische Bedeutung

– zwölf Gläubige sitzen in der Sakristei. Wie damals, vor 2000 Jahren…

Heute werde ich die Predigt in zwei Sprachen halten — erklärt der Pfarrer. Zuerst Rumänisch und dann Deutsch. Aber anhand unterschiedlicher Bibelverse und natürlich nicht mit dem gleichen Inhalt. Warum? Der Herrgott darf sich nicht langweilen — warum sollte er sich dieselben Predigttexte zweimal anhören? Die Liturgie ist bei mir immer Deutsch.

Es war auch so, im ersten Bibelvers handelte es sich um Maria und Martha. Zwei jüdische Frauen, bei denen Jesus einen Besuch macht.

Lukas 10,38-42: 38: Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. 39: Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. 40: Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! 41: Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. 42: Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

In dieser Geschichte wird Jesus in einem unbekannten Dorf von Martha aufgenommen, die mit viel Mühe für ihn sorgt, während ihre Schwester Maria Jesus zu Füßen sitzt und ihm zuhört. Martha beschwert sich bei Jesus und will, dass er Maria zur Hilfe auffordert. Jesus lehnt aber ab und rechtfertigt Marias Entscheidung ausdrücklich.

Pfarrer Schlattner formuliert das Resultat für die rumänischen Gemeindegliedern so:

Man muss Prioritäten setzen können!

Dann setzt er den Gottesdienst auf Deutsch fort. Was ist das höchste Gebot? – stellt man in der Bibel die Frage an Jesus.

Er antwortete und sprach: „Du sollst Gott, deinen HERRN, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte und deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Lukas 10:27)

Dann folgte die Predigt, die wie eine theologische Studie die 800 Jahre alte Sakristei erfüllt. Eben ein Beweis dafür, dass die Kanzeln immer als Wachtürme der Heiligen Schrift in Siebenbürgen im Laufe der Geschichte fungierten.

Das ist ein Doppelgebot,

das schon im Alten Testament formuliert wurde — so der Pfarrer in der Predigt. Liebe kann aus mehreren Blickwinkeln erklärt werden. Der Begriff „Liebe zu Gott” ist eine schwierige Sache. Besonders hier, in Siebenbürgen, wo sich die abendländische und die orientalische Theologie treffen. Die sind zwei große kollektive Erscheinungen! Wir sitzen jetzt in einer typischen mittelalterlichen Kirche, die eine Basilika-Form hat: sie weist vom Westen nach Osten, zum Gekreuzigten, zum Erlöser. Die einkehrenden Leute werden dorthin, zu ihm geführt. Den Abendländischen ist der Nächste wichtiger als im orientalischen Christentum. Dort, bei den Orthodoxen ist Jesus der „Pantokrator“, also der Allherrscher, den man anbeten muss!

Herr Schlattners Predigt war keine pure „heilige Rede“, viel mehr ein Vortrag mit Elementen aus Kunstgeschichte, Theologie, Literatur und Geschichte Siebenbürgens. Denn er ist nicht nur Pfarrer, sondern auch ein berühmter Schriftsteller – mit mehreren Romanen.

Lajos Káposzta

(Fortsetzung folgt)

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