…mit dem deutsch-ungarischen Schriftsteller, Siegfried Brachfeld
Im Jahre 1975 (1) ist in Ungarn eine erweiterte Straßenverkehrsordnung in Kraft getreten. Daher sollten vor allem Sie sich, verehrte Gäste, die Sie auf vier Rädern nach Ungarn kommen wollen, ein paar Worte einprägen. Achten Sie bitte als erstes auf unsere Überschrift (am Ende wie sch gesprochen). Überall, wo Sie das Wort sehen oder hören, ist etwas verboten. Tilos parkírozni! = Parken verboten! Hat ja ein internationales Verbotszeichen. Aber wenn Sie doch einmal so ein Schild übersehen, Verbotenes betreten oder sonst irgendeine Übertretung begangen haben, dann finden Sie entweder das Wort tilos auf jenem Zettelchen, das an ihrer Windschutzscheibe klebt und sich als Strafgebühr entpuppt oder aber der Ordnungshüter erwartet Sie höchstpersönlich an ihrem Fahrzeug und belehrt Sie freundlich, die Hand am Mützenschirm: Jó napot kívánok! Itt tilos megálni! = Guten Tag! Hier ist Halten verboten! Ob es nun trotzdem noch ein guter Tag für Sie wird, hängt davon ab, wie lange Sie Ihren Wagen dort abgestellt haben, wo es verboten war, und auf welche Summe sich die Ordnungsgebühr beläuft.
Wenn Sie unter dem bekannten Schild – roter Rand auf blauem Grund und dem roten Querbalken – die Aufschrift finden: 1 óra, dann heißt das, Sie dürfen hier eine Stunde parken. Vielleicht steht aber auch unter dem weißen P auf blauem Grund an der Parkuhr: hétköznap = wochentags 8-18, szombat = Sonnabend 8-14. Also können Sie innerhalb dieser Zeiten mit Parkuhr, ansonsten ohne Gebühr parken.
Sie fahren gut in Stadt und Land, wenn Sie die arabischen Ziffern von l bis 120 auch in ungarischer Schreibweise entziffern können, die so aussieht: l, 2, 3… usw. Im Übrigen sind die Ungarn am Lenkrad nicht schlechter und nicht besser als andere Autofahrer ….. Vielleicht unterscheiden sie sich nur in puncto Kraftausdrücke von den Ihnen geläufigen, die vielleicht im besten Fall Esel und im schlimmsten Hornochse lauten. Oder sind sie gar noch wortgewandter? Sollten Sie einmal in die peinliche Situation geraten, dass Ihnen beim Überholen jemand aus dem offenen Wagenfenster etwas zuruft, merken Sie sich als Antwort nur den einen Satz: Ön után, kérem! = Bitte, nach Ihnen. Das hat – Sie werden es merken – eine kolossal erzieherische Wirkung… Es bleibt Ihnen frei, sich später bei Ihren ungarischen Bekannten einmal danach zu erkundigen, was man sich hier so von Wagen zu Wagen zuruft!
Die Erkenntnis wird verblüffend sein.
(Aus dem Band „Warum ist die Krone schief“ — Pester Lloyd Verlag, Budapest)
1.) Die Novellen erschienen in den siebziger Jahren