Eine Humoreske von Siegfried Brachfeld
Obwohl die Ungarn ihren Hund aus der serbokroatischen Sprache geerbt haben, behandeln sie ihn doch so, als wär’s ein Stück von ihnen und können das Tier sogar – wozu sonst niemand imstande ist – den Begriff durch alle Zeiten, in allen Formen beugen.
Ein Fremder, der schon einiges davon wusste, wie viele Hunde-Sprachbilder es hier gibt, war doch völlig erstaunt, als er jemanden sagen hörte: „Sokat kutyagolok”. Er übersetzte es für sich: sokat = viel, kutya = -golok = Endung eines Zeitwortes in der Gegenwart erster Person Einzahl, dachte lange darüber nach, was wohl dieser Mensch mit seinem Hund gemacht hat: Ich hunde? Was soll das heißen? Bei aller Anerkennung für die reiche Phantasie der Ungarn hat ein Zeitwort „hunden“ doch keinen Sinn. Und doch! Kutyagolni ist tatsächlich ein aus dem Hund gebildetes Zeitwort und heißt: Zu Fuß gehen, marschieren, also wie ein armer Hund laufen.
Wer hier demnach noch nicht mit dem Auto fährt und weit von der nächsten Haltestelle wohnt, muß manchmal sehr viel kutyagolni. Schauen Sie einmal nach, was alles noch mit dem Hund ausgedrückt werden kann. Vom kutyabőr = Adelsbrief (solche Dokumente sind einmal auf Hundeleder geschrieben worden) bis zum kutyafáját! = des Hundes Baum! Lassen Sie sich das von einem Ungarn mal genau übersetzen! – gibt es so viele Anspielungen, Bilder und Vergleiche, dass, wer sich da nicht auskennt, fast in Gefahr kommt, alles durcheinanderzubringen. Selbst in diesem Wort durcheinanderbringen steckt der Hund – denn wenn Sie sich völlig verfranst haben in der ungarischen Grammatik und mit dieser Sprache auf den Hund gekommen sind, dann können Sie verzweifelt rufen: Ezt összekutyultam! = Das habe ich zusammengehundet.
Eigenartig, daß man hier wie überall zum Hundeleben greift, um Menschliches auszudrücken. Ein kis kutya = kleiner Hund ist einer, der wenig, und ein nagy kutya = großer Hund einer, der viel zu sagen hat, also ein hohes Tier. Wobei das hohe oder große Tier, ungarisch: nagy állat wieder nicht das bedeutet, was man in der deutschen Sprache darunter versteht. Kutyabaja sincs = wortwörtlich Hundeunglück keins hat dagegen jemand, dem nichts fehlt.
Die Hunde selbst jedoch haben Menschennamen. Auf kutya = Hund hört kein ungarischer Hund, es sei denn, Sie liebkosten ihn neben seinen meist sehr menschlichen Namen mit kutyuskám = mein Hünchen. Oder vielleicht noch besser mit kutyulimutyuli, was soviel heißt wie kutyulimutyuli. Sollten Sie einmal sehr verliebt sein – nicht in einen Hund -, können Sie das kutyulimutyuli auch
ausnahmsweise für Ihren Liebling gebrauchen.
Darüber lässt sich nachdenken!
Lajos Káposzta – 0036209466727