Die Harmonika und ihre Verwendung bei den Donauschwaben

„Schifferklavier, Akkordeon, (Zieh)Harmonika“

– nur einige aus den Bennennungen, die sich auf dieses bekannte Instrument beziehen. In Ungarn ist das nicht nur bei den „Schwaben“, sondern auch bei den Südslaven bekannt. Beide Volksgruppen pflegen stark ihre Musikkultur. Es kommt auch häufig vor, dass sie in demselben Dorf, oder nur einige Km entfernt von einander leben. Schlagen wir das Lexikon auf, was da über Akkordeon steht.

Das Akkordeon (PL: Akkordeons) ist ein Handzuginstrument, bei dem der Ton durch freischwingende, durchschlagende Zungen erzeugt wird.  Es zählt somit zu den selbstklingenden   Unterbrechungs-Aerophonen. (Aerophone werden in der Hombostel-Sachs-Systematik von 1914 alle Musikinstrumente genannt, bei denen der Klang durch direkte Schwingungsanregung der Luft erzeugt wird.)

Man zählt heute alle Handzuginstrumente, die auf der rechten Seite, dem Diskant, die Tastatur in einer abgewinkelten Form angebracht haben, zu den diversen Akkordeonarten. Diese Anordnung der Tastatur geht auf die ersten Wiener oder die ersten französischen Instrumente zurück. Prinzipiell würden aber auch alle anderen Sonderformen der Handzuginstrumente dazu zählen, da alle Instrumente kaum wesentliche Unterschiede in der Schallerzeugung aufweisen.

Dass manche Sonderformen eher getrennt behandelt werden, ist mehr aus der Geschichte des jeweiligen Instrumentes abzuleiten. Die englische Concertina und das Bandoneon haben daher eine gewisse Sonderstellung inne.

Wie erschien dieses Instrument im völkischen Leben?

Aus Robert Rohrs Buch „Unser Klingendes Erbe“ auf Seite 116 können wir folgendes lesen:

„…Es   dürfte  in  unserem  alten Heimatbereich vor dem l.. Weltkrieg keinen Ort gegeben haben, wo nicht zumindest ein Harmonikaspieler für kleinere Anlässe zur Verfügung gestanden wäre (Namenstags-, Geburtstagsfeiern, kleinere Hochzeiten, aber auch Tanzveranstaltungen im kleineren Rahmen).

In Kemei hatte es sogar zwei Harmonika-Doppelbesetzungen gegeben. Ansonsten standen im Ort noch drei Einzel Harmonika-Spieler zur Verfügung. Als um die Jahrhundertwende das Dorf Lunga (Gemeinde Großkomlosch) noch keine eigene Musikkapelle hatte, hatte zum Tanz ein „Harmoniespieler“ die Musik besorgt.

Über den Bedarf für solche Einzelmusiker liefert das Heimatbuch „Kunbaja“ auf Seite 203 ein Beispiel:

„Unsere Jugend vom 12. bis 14. Jahr, der im Wirtshaus zu tanzen verboten war, suchte sich über die Faschingstage ein Zimmer zu mieten und auch einen jugendlichen Ziehharmonikaspieler zu bekommen. Die jungen Burschen und Mädchen kamen gegen eine kleine Gebühr dort zusammen, um tanzen zu lernen“

Ähnlich war es auch in Tschawal/Csávoly: „Eine Frau … hatte einst ein Zimmer zur Verfügung gestellt, wo die Kleinen ungestört das Tanzen üben konnten. Dieser Brauch wurde beibehalten, und so traf man sich jeweils zur Faschingszeit für mehrere Sonntagnachmittage in einem Zimmer, in dem ein Ziehharmonikaspieler gegen ein kleines Entgelt für die Kleinen aufspielte. Dort versuchte man seine ersten Tanzschritte.“ (Aus dem Heimatbuch „Csavoly“, Waiblingen 1980. Seite 309.)   Über dieses Verfahren des Tanzenlemens erfahren wir auch durch Hans Bräuner in seinem Heimatbuch „Lenauheim/Tschatad“: “Die ,Kerweihbuben’ verpflichteten sich die Dorftapelle und beherrschten den Kirchweihplatz und das ganze  Kirchweihgeschehen der Gemeinde. Die Jüngeren tanzten im Wirtshaus in einem Nebenraum, und die Kleinen hatten ein Tanzzimmer in einem Privathaus bei einer Ziehharmonika.“ In India (Woiwodina, Jugoslawien)war „neben der Blasmusik die diatonische Handharmonika beliebt und ziemlich verbreitet. Gute Harmonikaspieler waren sehr geschätzt und wurden zu kleinen Hochzeiten und Familienfeierlichkeiten geladen“ (Valentin Oberkersch: „India“).

Von Adam Müller-Guttenbrunn erfahren wir in seinem Buch „Deutsche Sorgen in Ungarn“ von der Bestellung eines Instrumentes durch einen Banater Schwaben von einer Firma in Wien. Der rechtschriftlich korrigierte Brief lautete: „Lieber Herr Johann! Ich schreibe Ihnen, daß Sie mir eine Harmonika schikken főr 35 Kronen, 60 Heller, hoch 25 cm, 14 breit, 19 Klappen. 14 Eckenbeschläge, 8 Bässe, Stahlstimme, mit Riemen, grüner Riemen, von Leinwand, und wie Sie können geschwinder schicken, gleich kriegen Sie Geld per Nachnahme. Sind Sie so gut! Gleich zu schicken. Lieber Herr Johann! Expreß schicken Sie, nur gut soll sie sein…“

(Aus: „Zweihundert Jahre Donauschwaben“, Matthias Weiland, Verlag Johann Wilhelm Naumann, Augsburg 1949.)

Als einige Mitglieder des Landesrates der ungarndeutschen Chöre, Kapellen und Tanzgruppen diese Zitate das lasen, kam es ihnen in den Sinn für den Nachwuchs ein Harmonikalager zu organisieren. Diese Hannonikalager haben folgende Ziele:

Ungamdeutsche Melodien zu erlernen, Freude an der Arbeit in einer Gesellschaft zu leinen, die ungamdeutsche Identität, die Vorteile der Doppelidentität zu erkennen und es soll einen Beitrag zur Erziehung der ungamdeutschen Intelligenz leisten.

Lajos Káposzta

Quelle: Landesratforum — Informationsblatt des Landesrates der ungarndeutschen Chöre, Kapellen und Tanzgruppen.

Ein Harmonikaspieler aus Waschkut