Zentrale Gedenkveranstaltung der Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen in Bonnhard / Bonyhád abgehalten
Im Jahr 2012 erklärte das Ungarische Parlament den 19. Januar zum offiziellen Gedenktag der Verschleppung und Vertreibung der Ungarndeutschen, der das Unrecht der Verfolgung der deutschen Nationalität in Ungarn zum Ausdruck bringt. Die diesjährige zentrale Gedenkveranstaltung fand am 19. Januar in Bonnhard / Bonyhád statt. An der Veranstaltung nahmen zahlreiche hochrangige kirchliche und weltliche Würdenträger, hochrangige Vertreter der deutschen Nationalität in Ungarn, Vertreter der deutschen Selbstverwaltungen des Komitates Tolnau, ungarndeutsche Kulturvereine der Stadt Bonnhard sowie die Opfer der historischen Ereignisse und deren Nachkommen teil.
Die Mitglieder des örtlichen Ungarndeutschen Volkstanzvereins Kränzlein wohnten der Gedenkfeier in ihrer Volkstracht bei und trugen so zum Glanz der Veranstaltung erheblich bei. In der katholischen Kirche Unbefleckte Empfängnis in Bonnhard wurde ein festlicher ökumenischer Gottesdienst in deutscher Sprache von Zoltán Balog, Bischof der Reformierten Kirche, László Felföldi, Komitatsbischof der Diözese Fünfkirchen, Péter Kondor, Bischof der Südlichen Evangelischen Kirche und Stefan Wigand, Pfarrer von Bonnhard gemeinsam zelebriert. Die Messe wurde vom Deutschen Nationalitätenchor Theresia Rónai der Stadt Bonnhard umrahmt.
Die Bürgermeisterin von Bonnhard, Ibolya Filó-Ferencz, betonte in ihrer Rede, dass sie sich geehrt fühle und es sie besonders freue, dass ihre Stadt, das Zentrum des Talbodens, in diesem Jahr die zentrale Gedenkveranstaltung ausrichten darf. „Die verschleppten Ungarndeutschen, ihr Durchhaltevermögen, ihr Kampfeswillen, ihre Menschlichkeit und ihr Patriotismus sind auch für heutige Menschen vorbildlich. Sie haben selbst dann die ungarische Nationalhymne gesungen, als sie nicht einmal wussten, wohin sie in den Waggons hingebracht werden. Es ist unser aller Pflicht, ihr Andenken lebendig zu erhalten und stehts zu pflegen. Das tun wir auch heute, wo wir unser Haupt vor den Opfern verneigen“, so die Bürgermeisterin.
„Gelobt sei Jesus Christus! Frieden und Segen! Eine feste Burg ist unser Gott. Ich begrüße die hier versammelten aus diesem Grunde so, da es gerade der Glaube war, der die Menschen in ihrer Menschlichkeit, in ihrem Leben, in der Gemeinschaft erhalten hat – diejenigen, die von hier aus Bonnhard und auch aus vielen anderen Teilen Mittel- und Osteuropas vertrieben wurden“, begann seine Rede Miklós Soltész. Der Staatssekretär für Kirchen- und Nationalitätenangelegenheiten des Ministerpräsidentenamtes formulierte seine Gedenkrede durch die Erinnerungen einer aus Bonnhard vertriebenen Zeitzeugin, die die schrecklichen Ereignisse als Kind miterleben musste: „Dieses Mädchen hat ihren Vater, ihre Mutter und ihre Tante verloren. Zwangsrekrutierung in der Armee, Malekij Robot in der Sowjetunion: Insgesamt 1865 ungarndeutsche Personen aus Bonnhard waren von diesen betroffen, so auch die Zeitzeugin. Am 1. Juni 1946 wurde sie schließlich mit ihrem heimgekehrten Vater nach Deutschland vertrieben, zusammen mit 3125 weiteren Bonnhardern. Zwar wurden sie dort empfangen und aufgenommen, jedoch fühlte sie sich noch jahrzehntelang fremd und mundtot. Eine tragische Geschichte wie diese könnten uns weitere 3000 Bonnharder, mehr als 13.000 ungarndeutsche Menschen hier aus dem Talboden und mehr als 200.000 Ungarndeutsche aus Ungarn, aber auch um die 13 Millionen Menschen deutscher Nationalität aus Ost- und Mitteleuropa erzählen.“
Der Staatssekretär betonte, dass die Abwesenheit der Vertriebenen und Verschleppten bis heute spürbar sei: „Wir müssen uns erinnern, damit sich nie wieder so eine verheerende Tragödie in unserer Region, oder gar auf der ganzen Welt wiederholt.“
„Treue zu Gott, Treue zur ungarischen Heimat, Treue zum Volk“ – mit einem Leitspruch einer Gruppe vertriebener Ungarndeutscher begrüßte Árpád János Potápi, Parlamentsabgeordneter des Wahlbezirks die Anwesenden der Gedenkveranstaltung. „Dieser Leitspruch beinhalten so wertvolle Gedanken, dass wir ihn sogar 2003 in den Wappen der Stadt Bonnhard integriert haben. Auch mit dieser Entscheidung haben wir zum Ausdruck gebracht, wie stolz wir die Erinnerung an die Deutschen aus Bonnhard bewahren. Um die Bedeutung dieses erschütternden Leitsatzes wirklich zu verstehen, muss man die Geschichte der Deutschen in Ungarn kennen.“ Potápi betonte, dass die wahllose Vertreibung der Deutschen eine schmerzhafte und ungerechte Entscheidung war, insbesondere in Bonnhard, der Wiege der Bewegung “Treue zur Heimat”. Seine Rede schloss der Parlamentsabgeordnete mit persönlichen Gedanken: „Als Enkelsohn von vertriebenen Szeklern danke ich der unbekannten vertriebenen deutschen Familie für das Haus, in dem wir aufgenommen wurden und ich aufgewachsen bin, ich danke den vertriebenen Deutschen für die Kirche und die Schule, in der ich unterrichtet wurde und danke für die Heimat, die sie uns hinterlassen haben.
„‘Wir feiern mit leisen, versöhnenden Tönen, gedenken des Schicksals von Vätern und Söhnen, von mißbrauchten Kindern, die wir damals waren, wir wollen der Zukunft jeden Haß ersparen‘ – schreibt Valeria Koch in ihrem Gedicht ‘Gedenkzeilen über die Vertreibung’, das sie zum 50. Jahrestag der Vertreibung verfasst hat und das an der Mauer des Fünfkirchner Lenau Hauses als Mahnung steht. Ich wünsche uns, dass wir die heutige Gedenkfeier in diesem Sinne begehen“, unterstrich in ihrer Gedenkansprache Ibolya Hock-Englender. Die Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen verwies in ihrer Rede auf das schwere Schicksal der von Verschleppung und Vertreibung betroffenen Ungarndeutschen, von Heimatvertriebenen und Heimatverbliebenen: „Der Ort der heutigen Veranstaltung, Bonnhard, steht symbolisch für all die historischen Momente, die jene Zeit prägten. Darauf weist auch die Inschrift des Denkmals, das heute eingeweiht wird, hin: „Vertreibung, Internierung, Krieg, Verschleppung und Schicksalsjahre der Tolnauer Deutschen‘.“
Durch Familiengeschichten verdeutlichte die LdU-Chefin, dass der Gedenktag auch für sie persönlich im Zeichen der Erinnerung stehe: „Ich vernehme noch die Stimme meiner Oma mütterlicherseits, die schimpft, wenn wir etwas nicht essen wollten. Sie sagte immer: ‚Tu test tes schon noch ess, wann’st in Russland wärscht!‘ Diese meine Oma ist für mich das Vorbild für das Einstehen für die Herkunft, für das Nichtaufgeben der Identität trotz aller Bestrafungen. Wie oft sagte sie, wenn es hieß, die Muttersprache zu gebrauchen sei verboten: ‚Schlimmeres, als die Jahre in Russland kann man uns nicht mehr antun. Und deshalb werden meine Enkelkinder just teitsch rede‘. Ibolya Hock Englender betonte: Gedenken sei immer, sich an historische Ereignisse zu erinnern und diese aus der Sicht der Nachwelt zu untersuchen, aber es hieße auch, sich an kleine Alltagsbilder zu klammern, die den geschichtlichen Tatsachen einen emotionalen Inhalt geben. Ein bewusstes Bekennen zur ungarndeutschen Identität solle auch in den jüngeren Generationen entwickelt werden, und dabei hätten über die Familien hinaus auch die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen und alle, in diesem Bereich tätigen Organisationen und Institutionen eine wichtige Berufung.
Die Veranstaltung wurde mit der Einweihung des neu errichteten Denkmals für die Vertreibung und Verschleppung der Ungarndeutschen aus der Tolnau und einer gemeinsamen Kranzniederlegung gefolgt von der Hymne der Deutschen in Ungarn fortgesetzt. Das Denkmal wurde von Zoltán Balog, Bischof der Reformierten Kirche, László Felföldi, Komitatsbischof der Diözese Fünfkirchen, Péter Kondor, Bischof der Südlichen Evangelischen Kirche und Stefan Wigand, Pfarrer von Bonnhard gemeinsam eingeweiht. Das mit Bronzeapplikationen verzierte Denkmal aus Stein ist reich an Symbolik: Das zentrale Motiv ist ein Kreuz, das für die Religion steht, ein windgepeitschtes Leichentuch auf einer Säule, das für das durch die Vertreibung zurückgelassene Zuhause steht, und ein entwurzelter Baum, der den Schmerz der vertriebenen Familien und der Zurückgebliebenen symbolisiert. Die Inschrift auf dem Sockel “Vertreibung – Internierung – Krieg – Verschleppung Schicksalsjahre der Tolnauer Deutschen” fasst die schweren Jahrzehnte der Deutschen in Ungarn und der Tolnau treffend zusammen. Das Denkmal ist ein Werk des gegenwärtig im Komitat Tolnau lebenden siebenbürgischen Bildhauers László Juhos Szatmári. Nach der Kranzniederlegung trug der ungarndeutsche Dichter Stefan Valentin sein Werk „Elegie“ vor, gefolgt von zwei bekannten ungarndeutschen Volksliedern „Heute in der Nacht“ und „Teure Heimat“, vorgetragen vom Deutschen Nationalitätenchor Theresia Rónai. Zum Abschluss der Veranstaltung sangen die Anwesenden gemeinsam die ungarische Zweithymne.
Text und Fotos: Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen
Ungarndeutsche vor den Parlamentswahlen
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