Kulturerbe auf dem Friedhof

Mit diesem Titel wurde ein Spaziergang durch die Soltvadkerter Kulturfreunde auf dem örtlichen protestantischen Friedhof im Oktober organisiert. Der Referent über dieses ortshistorische Thema war Lajos Káposzta, der zahlreiche Studien über Grabsteine und Totenkult verfasst hat.

Die Hörerschaft bestand erfreulicherweise sowohl aus der älteren als auch der jüngeren Generation. So mussten viele Details der ungarischen Geschichte aus sprachlicher und ideologischer Hinsicht doppelt behandelt werden. Die ungarische Räterepublik 1919 bedeutet nämlich für jede Generation etwas anderes. Ebenso wie die fast obligatorische Namensänderung der Familien mit deutscher Abstammung nach der „Befreiung“ 1945. Dieser Prozess spiegelt sich auf vielen Gräbern wider, wenn dem deutschen Familiennamen plötzlich eine völlig andere, ungarische Form folgt. Es geht aber um dieselbe Familie! So wird aus Mayer Mohácsi, aus Ritter Réti oder Weppert Vágó — damit wir nur einige Beispiele nennen.

In Soltvadkert waren die evangelische A. B. und die reformierte H. B. Kirchengemeinden, zu denen mehr oder weniger Deutsche gehörten. Wie die Pfarrer dem Assimilationswillen des ungarischen Staates widerstanden, zeigen einige Beispiele. Der junge reformierte Pfarrer, Andreas Schilling, musste in den 1820-er Jahren viel leiden, bis er sein deutsches Gesangbuch für die Reformierten H. B. herausgeben und in die Praxis einführen konnte.

Lajos Káposzta Historiker beim Grabstein von Andreas Schilling in Soltvadkert

Das war ein Standardwerk, das Jahrzehnte lang in diesen Gemeinden z. B. im Komitat Pest, Tolnau/Tolna und Branau/Baranya verwendet wurde. Wie der Oberstuhlrichter (regionaler Leiter der Verwaltung) des Kreises Solt dagegen kämpfte, wurde aus dem Protokollbuch öffentlich, das am Grabstein durch den Ortshistoriker vorgelesen wurde. Es war ein großer politischer Druck, damit alle „Einwanderer der heimischen Kultur treu werden“ — also sie hätten Ungarisch lernen müssen. Na ja, damals war es auch nicht leicht, in einem nationalistisch denkenden Komitat im ungarischen Vormärz an der Sprache der eigenen Ahnen festzuhalten.

Ein Spaziergang auf dem Friedhof ist immer lehrreich. Man kann dadurch auch zu den jetzt Lebenden einen Einblick gewinnen. Versäumen Sie das nicht!

Info über Ungarndeutschtum und Traditionen: 0036209466727

Ein ungarndeutscher Germanist