Der Totenkult der Zigeuner
ist anders, als der von den Magyaren. Tiefer, religiöser, familienzentriert. Die etwa 500 / 600.000 Personen zählende Minderheit lebt auch im Komitat Bács-Kiskun. Sie bilden zwar nur selten Gettos innerhalb der Siedlungen, bewahren aber ihre Traditionen und z.T. die Lovari-Sprache.
Der Totenkult stellt eine der strengsten Traditionen dieses Volkes dar.
Das kranke Familienmitglied wird in der Agonie keine Minute allein gelassen. In Krankenhäusern ist das zwar selten bequem zu lösen, aber jemand von den Geschwistern oder Kindern wacht ständig am Krankenbett — n den pandemiefreien Zeiten. Die Anwesenheit dient nicht nur zur Kommunikation,
böse Geister müssen regelmäßig vertrieben werden,
doch die hören ungarisch gesprochenen Zaubersprüchen selten zu. Man muss ihnen laut Zigeunerisch (Lovari) zurufen. Wenn das Sterben naht, heulen die Verwandten oft, um den Sterbenden den Händen der bösen Engel zu entreißen und damit er ins verdiente Paradies gelangen kann. Man sagt, der Sterbende kann nicht ruhig gehen solange er nicht von allen Verwandten Abschied genommen hat.
Früher hat man den Toten zu Hause in der Nacht bewacht. Das ist im Laufe der Zeit bereits Vergangenheit geworden, der Körper bleibt im Krankenhaus und wird dort zur Bestattung vorbereitet. Aber die Zigeunerfamilie hält die Totenwache trotzdem, alle Familienmitglieder versammeln sich. Es wird gesungen und gebetet, Die letzten Tage und Stunden des Verstorbenen werden wachgerufen — Visionen und Träume über das bewegende Ereignis erzählt. Die Roma-Folklore ist reich an Erscheinungen, Visionen und damit verknüpften Dämonen. Aus den Toten können auch böse Geister werden, die bei den Verwandten spuken.
Wie kann man aber das verhindern? Das geliebte Familienmitglied darf kein „Feind“ werden. Eben deshalb wird aus den älteren Verwandten ein „Ausschuss“ gebildet, der eine Namensliste der Familienmitglieder erstellt und für jeden Zweig der Familie einen Abschiedsspruch zu schreiben hat.
Diesen Text soll dann der Priester bei der Beerdigung verlesen. Wenn er dabei die Sprache der Zigeuner benutzt, ist es noch besser. Die einzelnen Namen müssen nicht die offiziellen Namen sein, es ist am besten, wenn die Einzelnen mit (den Roma-)Kosenamen aufgezählt werden.
Das Grab wird ebenfalls während der Tage zur Totenwache hergerichtet. Es ist wie ein Zimmer ausgestattet, die Wände sind aus Ziegeln erbaut, verputzt und in der Lieblingsfarbe des Verstorbenen gestrichen. Die gleiche Farbe hat der Teppich auf dem Boden. In der Aufbahrungshalle spielt eine Kapelle, während die Verwandten in den letzten Stunden Abschied nehmen. Die Kapelle geleitet den Sarg nach der Zeremonie und der Predigt zum Grab. Früher wurden Geld und Schmuck in den Sarg gelegt, heute kommt das seltener vor. Aber Gebrauchsgegenstände und sogar Handy werden häufig beigelegt.
Liebe Leser, es ist für uns eine fremdartige Zeremonie, aber ich dachte, es wäre für viele ein Beitrag, der uns die Kultur und Lebensweise der Zigeuner näherbringt. Ich habe den Artikel aus meiner ungarisch sprachigen Studie gekürzt formuliert.
Lajos Káposzta